In den letzten zehn Jahren bin ich regelmäßig für längere Aufenthalte nach Detroit, Michigan gefahren. Der erste Anlass war, eine Stadt zu erleben, die in den 1940er Jahren die größte Industriemetropole der Welt war und im Laufe der Jahrzehnte sich selbst überlassen wurde. Die Gründe für den Niedergang sind vielfältig und oft widersprüchlich; die Zerstörung, die hinterlassen wurde ist jedoch eindeutig und die Ruinen manchmal von einer brutalen Schönheit. Die populären Bilder hiervon vermitteln ein Memento mori globalisierten Wirtschaftens: Zur Entwicklung des Neuen gehört die Zerstörung des Alten. Im Idealbild wäre die Stadt leer, nicht mal Mad Max hätte hier noch etwas zu suchen. Der Kapitalismus braucht die Stadt und ihre verbliebenen Bewohner nicht mehr. Selbst als Konsumenten werden sie nicht wirklich benötigt, es gibt kaum Werbung abseits der Highways und die nächstgelegenen Supermärkte befinden sich an der Grenze zu den wohlhabenden Vororten. Aber die mangelnde Verwertbarkeit bedeutet nicht, daß die Bewohner gänzlich verschwinden und mein Interesse bei den folgenden Reisen war es, herauszufinden, wie die Menschen in dieser Situation leben und welche selbstorganisierten Strukturen sich bilden. Die Gärten innerstädtischer Landwirtschaftsinitiativen sind dabei ein beeindruckendes Beispiel. Im Vergleich zu den riesigen Brachen sind es nur wenige bewirtschaftete Flächen aber dies ist nur der sichtbare Teil eines weitverzweigten Netzwerkes von Aktivitäten. Das gemeinsame Ziel ist eine selbstbestimmte und nachhaltige Restrukturierung der Innenstadt durch ihre Bewohner. Gegenüber der Stadtverwaltung oder kommerziellen Investoren ist man äusserst skeptisch (wenn auch diese nicht aus der politischen Verantwortung entlassen werden) und versucht stattdessen, neue Orte eines Allgemeingutes aufzubauen, die auf dem Engagement und dem Interesse der Nutzer basieren. Die Stadt implodiert zu Gemeinschaften.
Ingo Vetter, 2011
Series of c-prints, 100 cm × 85 cm (39.4” × 33.5”)
Frames made by the Detroit Tree of Heaven Woodshop